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(79 Ulijza Djagilewskaja, vierter Stock links) Wohnung Irina Gortschakowa
#1
In einem Haus aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert befindet sich die Wohnung von Irina Filipowna Gortschakowa. Die neoklassizistische Fassade des Mietshauses verliert an einigen Stellen Putz, an anderen Stellen ist der Putz ergraut. Viele Wohnungen stehen leer. In der Belle Etage neben dem Eingang wohnt die alte Pförtnerin, die selbst auf verwaisten Korridoren noch regelmäßig die Glühlampen austauscht.

Die meisten Namen an den Klingelschildern gehören Toten. So auch "Jurij Gortschakow", der Name an Irinas Klingel. Eigentlich eher ein Summer, der ein unangenehmes, schneidendes Geräusch von sich gibt.

Irinas Wohnung besteht aus zwei großen Zimmern, einer kleinen Küche, von der eine Nische für die Badewanne abgetrennt ist, einer Speisekammer und einer winzigen Kammer hinter dem größeren der beiden Zimmer. Die Toilette liegt auf halber Treppe. In der Küche steht ein großer Gasherd, neben dem Tisch, Stühle und Spülstein kaum Platz finden. Durch eine neuere Glastür gelangt man auf einen kleinen Balkon mit Blick auf den Hinterhof. Auf diesem Balkon trocknet Irina ihre Wäsche.

Sie selbst bewohnt das kleinere der großen Zimmer, ein quadratisches. Ein alter Kachelofen ist die einzige Heizung. Täglich muss Irina Kohlen aus dem kleinen Kellergelass, das ihr gehört, in den fünften Stock schleppen. Der Raum mit der hohen Decke (eine Decke mit bröckelnden Stukkaturen) ist im Winter nur schwer auf eine angenehme Temperatur zu bekommen. Wenn es besonders kalt ist, stopft Irina daher nachts alte Decken zwischen Innenfenster und Außenfenster. Ein großes Ehebett aus den zwanziger Jahren, ein Sofa mit abgestoßenem Samtbezug, drei Sessel, ein Kleiderschrank, ein Bücherschrank, eine Kommode und ein Sekretärschrank bilden das Mobilar. Auf der Kommode stehen - mit Trauerschleife verziert - ein Hochzeitsbild (vermutlich in den zwanziger Jahren entstanden) und das Portrait eines traurigen, ernsten Mannes im Angestelltenanzug. In einer Zimmerecke hängen Ikonen, davor, auf einem Wandbord, liegt eine Dose für Opferkuchen und steht ein Kerzenleuchter. Den Kronenleuchter an der Decke nutzt Irina nicht, da ihr die Gasleuchten unheimlich sind. Ihre Nachttischlampe und eine Glühbirne, die am Kabel von der Decke hängt, genügen ihr.

Im anderen Zimmer, das eine große gläserne Flügeltür hat, die auf einen Söller zur Straßenseite hinausgeht (auf dem unzählige Topfpflanzen stehen) wird von Irinas jüngerer Schwester Warwara bewohnt, die allerdings selten in Koskow ist, da sie als Schaffnerin in Fernzügen arbeitet. Auch Pjotr, Irinas verwaister Neffe, hat hier ein Bett, das er nutzt, wenn er in Koskow ist. Pjotr studiert im Ausland, ist nicht häufig in Andro und ist Irinas ganzer Stolz.

Irina ist sehr auf Reinlichkeit und Ordnung bedacht, auch wenn sie die Dielen nur noch selten bohnert. Gelegentlich schwingt sie auch den Pinsel, um den Putz in der Küche auszubessern. Die beiden großen Zimmer haben alte Seidentapeten, die allerdings an einigen Stellen abgestoßen sind und ausgeblichen. Jeden Samstag klopft die Rentnerin im Hof alle Teppiche aus.
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#2
Der Knjaz läßt die Klingel summen und wartet darauf, dass die Tür sich öffnet.
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#3
Irina hockt in ihrer Wohnung. Es ist kalt und dunkel. Man bekommt kaum noch Kohlen, da es einen Engpass bei der Versorgung gibt. Außerdem sind die Preise förmlich in die Höhe geschnellt. So muss die Rentnerin mit mehreren Lagen Wolldecken vorlieb nehmen - und friert immer noch. Im Ofen ist nur noch eine schwache Glut. Neue Kohlen kommen erst in einer Woche - vielleicht. Der Strom ist mal wieder abgestellt. Nicht, weil Irina nicht die Rechnung bezahlt hätte - sondern weil anscheinend irgendein Kohlekraftwerk entweder bestreikt wird - oder auch keine Kohle mehr bekommt. Kerzen hat Irina noch einige, aber das Licht reicht zum Lesen kaum und zum Stricken schon gar nicht. Nach draußen mag sie nicht gehen, denn das Thermometer war schon gegen Mittag auf unter Minus zehn Grad Celsius. Außerdem ist, so hat sie von einer Nachbarin gehört, gerade Aufruhr in der Stadt.
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#4
Die Tür zum Kohlenkeller wird aufgebrochen. Doch da ist leider nichts mehr. Wütend ziehen die drei jungen Frauen weiter. Eine von ihnen ist etwas schwanger.
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#5
Irina bekommt von all dem nichts mit. Sie weiß, dass ihr Keller leer ist, geht also auch gar nicht mehr nach unten. Sie bleibt oben und friert - wenn sie nicht gerade mit ihrem Hilfskomitee unterwegs ist. Aber das ist momentan zu gefährlich wegen der Plünderer.
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#6
Die aus den Kellerfenstern kriechenden werden von 2 Polizisten aufgegriffen und verpfügelt und dann in ein Sammellager gebracht.
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