24.01.2010, 21:00
Gerichtsordnung (GerO)
I. Abschnitt: Gerichtsorganisation
§ 1: Zuständigkeit
(1) Die Föderale Republik Andro hat in allen seinen Teilen ein einziges Gericht. Es führt den Namen Reichsgericht.
(2) Das Reichsgericht ist zuständig für alle Zivil-, Straf-, Verwaltungs- und Verfassungs-Verfahren. Er soll diese Verfahrenszweigen, soweit das von der Sache her möglich ist, kontradiktorisch führen; auch für Strafsachen gilt die Privatklage.
(3) Im Rahmen der Gesetze hat jedermann das Klage- oder Antrags-Recht, wenn er schlüssig geltend macht, daß
daß er in seinen Rechten verletzt ist und
daß für ihn ein Rechtsschutz-Bedürfnis besteht.
daß gegen geltendes androisches Recht verstoßen wurde.
(4) Der Sitz des Reichsgericht ist Koskow.
Amtlicher Kommentar
Zu Abs. 2: also in der Regel sind
in Zivilverfahren: Kläger und Beklagter sind natürliche oder juristische Personen;
in Strafverfahren: der Staat und/oder der private Nebenkläger als (An-)Kläger, der Straftäter als Beklagter;
in Verwaltungsverfahren: der Bürger als Kläger, der Staat als Beklagter.
Zu Rechtsschutz-Bedürfnis: die Sache darf nicht bereits entschieden sein oder anderweitig (z.B. dienstrechtliches Beschwerdeverfahren) entschieden werden können.
§ 2: Wahl der Richter
(1) Zum Richter berufen ist der, bei dem zu erwarten ist, daß er gemäß § 7 Verf. nach Recht und Gesetz handeln wird. Ebenso soll er die fachliche Befähigung zum Richteramt haben. Um dies zu prüfen, wird die Regierung zum Erlaß einer Verordnung ermächtigt.
(2) Der Senat wird auf 12 Monate gewählt und besteht aus drei hauptamtlichen Richtern. Davon wird einer durch die Regierung gewählt, einer durch die Duma, und der dritte in einer Volksabstimmung. Finden sich nicht ausreichend Kandidaten für die zu besetzenden Richterstellen, bleiben die unbesetzten Stellen vakant.
(3) Scheidet ein Richter innerhalb seiner 12monatigen Amtszeit vorzeitig aus, findet eine Nachwahl statt für die verbleibende Amtszeit.
§ 3: Dienstpflicht der Richter
(1) Die Richter am Reichsgericht sind verpflichtet, Ihr Amt gewissenhaft und kontinuierlich auszuüben und so die Funktionsfähigkeit des Gerichts und angemessen Verfahrensdauern sicherzustellen.
(2) Richter dürfen keiner Nebenbeschäftigung in Andro als Richter an einem anderen öffentlichen Gericht oder als Berater oder Mitarbeiter an einer öffentlichen Stelle nachgehen. Richter dürfen niemanden vor einem öffentlichen Gericht in Andro vertreten. Die Verbote gelten auch für unentgeltliche Tätigkeiten.
(3) Der Finanzminister kann Richtern für unentgeltliche Tätigkeiten und für Lehrtätigkeit an einer Hochschule auf Antrag eine jederzeit widerrufliche Ausnahmeerlaubnis von den Verboten des Absatz 2 erteilen.
§ 4 Beschlussfähigkeit, Öffentlichkeit
(1) Verhandlungen des Reichsgerichts sind öffentlich.
(2) Das Gericht kann sich intern geheim beraten. Wer als Richter Dokumente gleich welcher Art aus den geheimen internen Beratungen veröffentlicht oder unbefugten Personen zur Verfügung stellt, ist wegen Verletzung des Kommunikationsgeheimnisses mit einer Geldstrafe bis zu 3000 Ramwuv zu bestrafen. Desweiteren kann die Befähigung zum Richeramt berufen zu sein, auf Dauer oder vorübergehend entzogen werden.
II. Abschnitt: Rechtsmittel und sonstige Verfahren
§ 5 Berufungsverfahren
(1) Wer durch ein Urteil oder Beschluß jedes anderen Gerichts der Föderalen Republik Andro und seiner Provinzen beschwert ist, kann binnen zwei Wochen nach Verkündung vor dem Reichsgericht Berufung/Beschwerde eingelegt werden. Diese Rechtsmittel ist innerhalb der vorgenannten Frist zu begründen.
(2) Die Parteien können im Rechtsmittelverfahren keinen Vortrag über Umstände des Sachverhalts vorbringen, es sei denn, diese sind erst nach der Hauptverhandlung in I. Instanz eingetreten.
(3) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder daß die im erstinstanzlichem Urteil zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Das Gericht ändert dementsprechend das erstinstanzliche Urteil ab.
(4) Das gleiche gilt sinngemäß für Beschwerden.
§ 6 Verfassungsbeschwerden
(1) Verfassungsbeschwerde kann jedermann erheben, der nachvollziehbar behauptet, durch einen Akt öffentlicher Gewalt in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten selbst, unmittelbar und gegenwärtig verletzt zu sein.
(2) Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn gegen den Akt öffentlicher oder privater Gewalt kein Rechtsweg offensteht oder dieser erschöpft ist.
(3) Die Verfassungsbeschwerde muß binnen eines Monats nach dem gerügten Akt öffentlicher oder privater Gewalt erhoben werden.
§ 7 Organstreitverfahren
(1) Das Organstreitverfahren löst Konflikte bezüglich der sich aus der Verfassung ergebenden Kompetenzen und Rechte von Verfassungsorganen untereinander.
(2) Prozeßpartei kann jede Körperschaft, jedes Organ und jeder Organteil sein, der durch die Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet ist.
§ 8 Abstrakte Normenkontrolle
(1) Das abstrakte Normenkontrollverfahren prüft Gesetze des Parlamentes auf ihre allgemeine Vereinbarkeit mit der Verfassung.
(2) Antragsteller können sein:
a) mindestens zwei wahlberechtigte Bürger oder dieses als Kollegialorgan
b) die Regierung als Kollegialorgan
(3) Der Antrag muß binnen eines Monats nach dem parlamentarischen Beschluß des Gesetzes gestellt werden. Der Antrag kann erst nach Verkündung gestellt werden.
§ 9 Konkrete Normenkontrolle
(1) Das konkrete Normenkontrollverfahren prüft jeweils ein Gesetz, das in einem konkreten Gerichts-verfahren entscheidungs-erheblich ist und das amtierende Richter für verfassungswidrig hält, auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung im Hinblick auf ihre Anwendung.
(2) Antragsteller kann jedes öffentliche Gericht sein, das von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes überzeugt ist, auf dessen Gültigkeit es in einem Verfahren ankommt.
(3) Kein anderes Gericht kann ein förmliches Gesetz außerhalb dieses Verfahrens verwerfen.
§ 10 Wahlprüfung
(1) Gegenstand der Prüfung können die Wahl des Ministerpräsidenten und die Wahl des Parlaments sein.
(2) Antragsteller können sein:
a) jeder Kandidat
b) mindestens 2 Wahlberechtigte
(3) Der Antrag muß binnen einer Woche nach amtlicher Bekanntgabe des Wahlergebnisses gestellt werden.
(4) Das Reichsgericht muß die Wahl für ungültig erklären, wenn nicht unerhebliche Verfahrensfehler vorliegen und nicht sehr unwahrscheinlich ist, daß diese das Wahlergebnis beeinflußt haben. Jede andere Korrektur des Wahlergebnisses ist nicht möglich.
III. Abschnitt: das Gerichtsverfahren
§ 11 Ungültigkeit von Gesetzen
(1) Das Reichsgericht, und nur dieses, kann ein verfahrens-gegenständliches Gesetz als verfassungswidrig verwerfen.
(2) Die Verwerfung soll nur teilweise erfolgen, wenn anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber das übrige Gesetz auch ohne den verfassungswidrigen Teil erlassen hätte.
(3) Ist die verfassungsmäßige Ordnung durch die sofortige Unwirksamkeit des Gesetzes stärker gefährdet als durch seine vorläufige Weitergeltung, kann das Gericht eine angemessene Frist festsetzen, während der das Gesetz seine Gültigkeit behält.
(4) Entscheidungen über die Verwerfung von Gesetzen sind vom Präsidenten zu verkünden.
§ 12 Einstweilige Anordnungen/Verfügungen
(1) In allen Verfahren kann das Reichsgericht auf Antrag einstweilig etwas anordnen/-verfügen. Sollte das endgültige Urteil davon abweichen, gehen alle Aufwendungen und Schäden des Antragsgegners zu Lasten des Antragstellers.
(2) Bis zu einer anderweitige gesetzlichen Regelung gelten nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen als Gerichtsgebrauch die Regel des bundesdeutschen Rechts hinsichtlich des:
. a) Verfügungsgrund,
. b) Verfügungsanspruch,
. c) kein Vorgriff auf die End-Entscheidung und
. d) bei einstweiligen Abordnungen (eAO) Abwägung des öffentlichen mit dem privaten Interesse.
Amtlicher Kommentar
1. In Andro sind Eil-Entscheidungen aus dem Verfassungssatz der Rechtsstaatlichkeit legitimiert.
2. Zum rechtssystematischen Verständnis: dogmatisch gesehen sind diese Eil-Entscheidungen kein Rechtsprechungsakt, sondern dem Richter zugewiesene Akte exekutiver Gewalt. Diese Maßnahmen stellen eine Ausnahme von der Gewaltentrennung dar.
Diese Unterscheidung kann auch praktische Bedeutung haben. Und zwar wenn das Gesetz, nach dem im vorläufigen Verfahren zu entscheiden ist, formell zwar verkündet, aber materiell wegen eines Fehlers im Gesetz-Gebungsverfahren nicht rechtswirksam ist. Dann hat der Richter (wie ein Verwaltungsbeamter) das, was als Gesetz verkündet ist, seiner Entscheidung im Eil-Verfahren zu Grunde zu legen. Der Richter der Hauptsache hat jedoch die richterliche Prüfungspflicht.
3. Die einstweilige Anordnung ist ein sehr beliebtes Rechtsinstitut, und sie greift hart in die Rechtsposition des Beklagten ein. Deswegen ist ihre Voraussetzung näher zu klären. Statt einer umfangreichem Kommentierung der Voraussetzungen zu a) bis d) wird auf die betreffenden Seiten von Google verwiesen.
§ 13 Vorbringen vor Gericht
(1) Der Parteivortrag hat sich auf das zu konzentrieren, was entscheidungs-erheblich ist.
(2) In Zivilsachen und sonst, wo möglich, gilt Parteibetrieb, insbesondere gilt als zugestanden, was nicht ausdrücklich bestritten ist. Für Verfassung-, Verwaltungsrecht- und Strafsachen sind entscheidungs-erhebliche Tatsachen auch von Amts wegen ins Verfahren einzuführen.
(3) Die Parteien haben ihre Erklärung über tatsächliche Umstände (Tatsachen) vollständig und der Wahrheit entsprechend abzugeben. Verstöße sind zu ahnden.
Amtlicher Kommentar
Diese Vorschrift bezweckt vor allem die Straffung der Verfahren; denn es hat sich gezeigt, die bisherige Methode, die Parteien reden zu lassen, was sie wollen, verlängert den Prozeß.
Zu „entscheidungserheblich“: also abwegiger Vortrag darf vom Gericht nicht beachtet und keinesfalls zur Entscheidung herangezogen werden.
Zu Abs.3: „vollständig“ besagt insbesondere, daß nichts Entscheidungserhebliches weggelassen werden darf – auch wenn es zum Nachteil der eigenen Partei ist. Das von besonderer Bedeutung; da oft Parteien geneigt sind, nur vorteilhafte Sachverhalte vorzutragen – nachteilige aber verschweigen. Also haben die Parteien eine Prozeßförderungs-Pflicht und sollen sich nicht den Sachverhalt „wie Würmer aus der Nase ziehen“ lassen.
§ 14 richterliche Aufklärungspflicht
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, daß die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Ist streitig, ob eine streitentscheidende Tatsache simulations-intern oder –extern war, so hat darüber das Gericht durch Zwischenurteil zu befinden.
(5) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
Amtlicher Kommentar
Die richterliche Aufklärungspflicht ist das Gegengewicht zu den Pflichten, die den Parteien in § 15 (1) auferlegt sind. Sie soll insbesondere die Parteien erkennen lassen, was entscheidungserheblich ist. Darüber hinaus soll sie die Parteien entlasten, vorsorglich Dinge vorzutragen, über die Zweifel besteht, ob sie entscheidungs-erheblich sind.
Was entscheidungserheblich ist, sollte das Gericht möglichst frühzeitig den Parteien zu erkennen geben – am besten in Form eine „Entscheidungs-Schemas“
§ 15 Beweisantrag und Beweiserhebung
(1) Was im Forum geschrieben steht, gilt zunächst als erwiesen. Der Beweis den Gegenteils ist zulässig.
(2) Soweit das Forum durch gewaltsame Eingriff unbefugter Dritter textlich geändert oder gelöscht ist, entscheidet das Gericht durch gesonderten Beschluß, wie diese Parteivorträge rechtlich zu behandeln sind.
(3) Beweisanträge müssen so früh wie möglich gestellt werden.
(4) Sie sind nur zulässig, wenn der Antragsteller schlüssig darlegt:
.a) welche Tatsache er mit diesem Antrag bewiesen haben will,
.b) daß diese Tatsache für die Entscheidung erheblich ist.
Amtlicher Kommentar
Beweisfähig sind nur Tatsachen – keine Rechtsansichten; letztere sind allein vom Gericht durch Subsumtion zu entwickeln. Beweis darf nur beantragt und erhoben werden, wenn das Beweisthema überhaupt entscheidungserheblich ist. Die leider praktizierte Methode, „ins Blaue“ hinein Beweise zu beantragen, ist nicht zulässig. Zeugen dienen nicht der Ausforschung des Sachverhalts, sondern sie sollen nur einen konkret benannten Sachverhalt auf ihren Wahrheitsgehalt klären. Die Festlegung des Beweisthemas ist notwendig, weil nur das Gericht die Zeugenpflicht auszusagen mit seinem informationellen Grundrecht, die Aussage zu verweigern, rechtsstaatlich abwägen kann. Der Zeugenbeweis ist beschränkt auf Fälle, in denen kein Urkundenbeweis aus dem Forumstext möglich ist.
§ 16: Allgemeine Verfahrensfragen und Gesetzes-Lücken
(1) Bis auf weiteres ist das Reichsgericht ermächtigt, im Recht der Föderalen Republik Andro nicht geregelte, aber unbedingt verfahrensnotwendige Verfahrensfragen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit bzw. des Gerichtsgebrauchs zu schließen.
(2) Absatz 1 gilt nicht:
a) für den Täter nachteilige Straftatbestände;
b) für Begründung von subjektiven Rechten, insb. Ansprüchen,
c) wenn die Gesetze der Föderalen Republik Andro erkennen lassen, daß sie bewußt einen Gegenstand nicht geregelt haben.
(3) Analogien nach Absatz (1) müssen in gerichtlichen Entscheidungen als solche ausgewiesen und begründet werden.
Amtlicher Kommentar
Die Regelung Abs.1 a) gilt wohlgemerkt nur für Verfahrensfragen.
Zu Analogie: Zunächst könnte fraglich sein, ob überhaupt Analogien zulässig sind; denn zu den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit gehören Analogie-Schlüsse nicht – viele Kulturstaaten, erlauben sie nicht, oder nur eng begrenzt.
Aber vorliegende Kommentierung geht davon aus, daß Andro als Mikronation kein volles Gesetzessystem haben kann und deswegen grundsätzlich auf Analogien angewiesen ist. Aber dies – aus rechtsstaatlichen Gründen - nur in der Grenzen, die in (1) b) genannt sind. So ist streng zu unterscheiden:
· (beredtes) Schweigen des Gesetzes > kein Analogieschluß
· (planwidriger) Gesetzeslücke > Analogie möglich
(vgl. Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Kap. 6, Ziff.2, a) Ende 1.Abs)
Zu Absatz 3: Diese Offenlegungspflicht der Analogieanwendung soll bewirken, das an sich dem vielfach gewünschten „Richter-Recht“ viel Gestaltungsraum eröffnet ist, aber daß andererseits der Richter – unter Wahrung des Verfassungs-Gebotes der Rechtsstaatlichkeit – nicht nach „Gefühl und Wellenschlag“ entscheiden kann, indem der die Auslegung gut und schlüssig begründen muß.
§ 17 Verfahrensfragen, Urteils-Fristen
(1) Im Übrigen bestimmt das Gericht bzw. der verfahrensleitende Richter Fristen, Verfahrensablauf und Inhalt des Protokolls.
(2) Die Fristen sind so zu bestimmen, daß das Urteil in der Regel 25 Tagen nach Klageerhebung verkündet werden kann. Ist diese Frist nicht einzuhalten, muß vorher eine Fristverlängerung beschlossen werden. Dieser Beschluß setzt voraus: Einverständnis beider Parteien oder einvernehmlicher Beschluß von mindestens zwei Richtern.
(3) Das Gericht ist befugt, rechtwidrige Beiträge im Forum der Gerichte zu löschen.
Amtlicher Kommentar
Diese Regelung ist insgesamt neu – diskussionsbedürftig!
1. Die Bindung an eine bestimmte Verfahrensfrist und die Sanktion bei Nichteinanhalten der Nachfrist ist ein Kompromiß mit den politischen Kräften, die Absetzbarkeit der Richter wegen derer zu langer Verhandlungszeiten anstrebten - möglich, soweit sie nicht die persönliche Unabhängigkeit der Richter beschneidet.
2. Die Fristen nach Abs. 2 bestimmen sich ab Eingang bei Gericht. Deswegen wird es in Zukunft nicht mehr möglich sein, zwischen Eingang und Eröffnung die Klage/Antrag liegen zu lassen, um über die Zulässigkeit zu beraten und zu entscheiden. Abgesehen von dem (seltenen) Fall der Nicht-Annahme der Klage muß Klage/Antrag sofort eröffnet werden – und dies mit beurkundetem Eingangszeitpunkt.
3. Absatz 3 (Löschung) betrifft insbesondere Bemerkungen von nicht beteiligten „Möchte-Gern-Juristen“, zumal das Forum in gewisser Hinsicht als Protokoll des Verfahrens angesehen wird und der Vorsitzende üblicherweise den Inhalt des Protokolls bestimmt. Im Übrigen: Ist sie auf Beitragstexte abgestellt, die rechts-unerheblichen oder rechtswidrigen Inhalt haben.
§ 18 Urteile/Beschlusse
(1) Alle Urteile sind zu durch nachvollziehbare Subsumtion begründen. Alle Urteile sind öffentlich.
(2) Wenn ein Teil des Streitstoffes geklärt ist, soll ein Zwischenurteil ergehen.
(3) Wenn der Beklagte das Klägerbegehren anerkannt hat, ergeht, ohne zur Sache zu entscheiden, auf Antrag des Klägers ein Anerkenntnis-Urteil.
Amtlicher Kommentar:
1. Urteilsbegründung: Urteile sind lückenlos abzuleiten von einem Verfassungs- oder Gesetzes-
Satz. Nicht vom Rechts“Gefühl“ der Richter, nicht von der Rechtsvorstellung der herrschenden „Klasse“, nicht von Stimmungslagen, auch nicht von politisch-klassenkämpferischen „Parolen“ (z.B. „Richter müssen kontrolliert werden!“).
Diese Ableitung hat zu erfolgen, indem
a) der Gesetzes konkret genannt wird;
b) wenn das Tatbestandsmerkmal zu abstrakt ist, auf subsumtions-fähige Begriffe herabdefiniert,
c) diese subsumtions-fähigen Begriffe als Obersatz in den Syllogismus eingesetzt werden;
d) der tatsächliche Lebenssachverhalt (Tatbestand) als Untersatz definiert wird;
e) der eigentliche Subsumtionsvorgang: feststellen, ob der Tatbestand die Norm ausfüllt (sehr empfehlenswert: Egon Schneider, Logik für Juristen, Franz Vahlen)
Und das Schritt für Schritt in einer lückenlosen Kette von Subsumtionsvorgängen.
Das alles ist in der Urteilsbegründung nachvollziehbar(!) darzulegen. Besonders ist darauf zu achten, das keine Zwischenstufen ausgelassen werden – also daß beim nächsten Schritt etwas vorausgesetzt wird, was zuvor nicht bewiesen ist – Sprung im Schluß (saltus in concludendo
2. Öffentlichkeit: Nur Urteile: sind öffentlich. Also Beschlüsse nicht. Sonderegelung gilt für Beschlüsse, die Gesetze wegen Verfassungswidrigkeit aufheben. Diese sind nicht vom Gericht, sondern vom Ministerpräsidenten im Gesetz-Blatt zu verkünden.
In Familien- oder Kindschafts-Sachen muß der Richter bei intimen Angelegenheiten einen Weg finden, bei dem das informationelle Grundrecht des Einzelnen gewahrt bleibt.
„Öffentlich“ muß nicht nur die Verkündung, sondern auch die spätere Einsichtnahme sein.
3. Verhandlungsprotokolle
Der Vorsitzende bzw. Einzelrichter bestimmt, was in das Gerichtsprotokoll aufgenommen wird – in der Regel das, was entscheidungserheblich ist. Das übrige im Gerichtssaal Gesagte darf er löschen lassen. Darüber hinaus darf jede Partei dreimal im Laufe eines Verfahren Texte mit höchstens je drei Zeilen zu Protokoll geben.
4. Urteils-Zusätze
Urteile und Beschlüsse werden in der Form, wie der Einzelrichter oder bei Spruchkörpern, wie sie beide Richter einvernehmlich beschlossen hat/haben, abgesetzt. Als Zusätze sind nur kurze consenting oder dissenting votes zulässig.
§ 19: Schlußvorschriften
(1) Das Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Es ersetzt die bisher geltenden Regelungen der Allgemeinen Reichverfahrensprozessordnung und Reichsstrafprozeßordnung vom 6.8.2007, sowie das Gesetz zum Sonderinstanzverfahren vom 11.12.2007
(2) Bereits anhängige Verfahren sind nach den Vorschriften des bisherigen Gerichtsgesetzes zu beenden – es sei denn beide Parteien beantragen, das neue Gesetz anzuwenden.
I. Abschnitt: Gerichtsorganisation
§ 1: Zuständigkeit
(1) Die Föderale Republik Andro hat in allen seinen Teilen ein einziges Gericht. Es führt den Namen Reichsgericht.
(2) Das Reichsgericht ist zuständig für alle Zivil-, Straf-, Verwaltungs- und Verfassungs-Verfahren. Er soll diese Verfahrenszweigen, soweit das von der Sache her möglich ist, kontradiktorisch führen; auch für Strafsachen gilt die Privatklage.
(3) Im Rahmen der Gesetze hat jedermann das Klage- oder Antrags-Recht, wenn er schlüssig geltend macht, daß
daß er in seinen Rechten verletzt ist und
daß für ihn ein Rechtsschutz-Bedürfnis besteht.
daß gegen geltendes androisches Recht verstoßen wurde.
(4) Der Sitz des Reichsgericht ist Koskow.
Amtlicher Kommentar
Zu Abs. 2: also in der Regel sind
in Zivilverfahren: Kläger und Beklagter sind natürliche oder juristische Personen;
in Strafverfahren: der Staat und/oder der private Nebenkläger als (An-)Kläger, der Straftäter als Beklagter;
in Verwaltungsverfahren: der Bürger als Kläger, der Staat als Beklagter.
Zu Rechtsschutz-Bedürfnis: die Sache darf nicht bereits entschieden sein oder anderweitig (z.B. dienstrechtliches Beschwerdeverfahren) entschieden werden können.
§ 2: Wahl der Richter
(1) Zum Richter berufen ist der, bei dem zu erwarten ist, daß er gemäß § 7 Verf. nach Recht und Gesetz handeln wird. Ebenso soll er die fachliche Befähigung zum Richteramt haben. Um dies zu prüfen, wird die Regierung zum Erlaß einer Verordnung ermächtigt.
(2) Der Senat wird auf 12 Monate gewählt und besteht aus drei hauptamtlichen Richtern. Davon wird einer durch die Regierung gewählt, einer durch die Duma, und der dritte in einer Volksabstimmung. Finden sich nicht ausreichend Kandidaten für die zu besetzenden Richterstellen, bleiben die unbesetzten Stellen vakant.
(3) Scheidet ein Richter innerhalb seiner 12monatigen Amtszeit vorzeitig aus, findet eine Nachwahl statt für die verbleibende Amtszeit.
§ 3: Dienstpflicht der Richter
(1) Die Richter am Reichsgericht sind verpflichtet, Ihr Amt gewissenhaft und kontinuierlich auszuüben und so die Funktionsfähigkeit des Gerichts und angemessen Verfahrensdauern sicherzustellen.
(2) Richter dürfen keiner Nebenbeschäftigung in Andro als Richter an einem anderen öffentlichen Gericht oder als Berater oder Mitarbeiter an einer öffentlichen Stelle nachgehen. Richter dürfen niemanden vor einem öffentlichen Gericht in Andro vertreten. Die Verbote gelten auch für unentgeltliche Tätigkeiten.
(3) Der Finanzminister kann Richtern für unentgeltliche Tätigkeiten und für Lehrtätigkeit an einer Hochschule auf Antrag eine jederzeit widerrufliche Ausnahmeerlaubnis von den Verboten des Absatz 2 erteilen.
§ 4 Beschlussfähigkeit, Öffentlichkeit
(1) Verhandlungen des Reichsgerichts sind öffentlich.
(2) Das Gericht kann sich intern geheim beraten. Wer als Richter Dokumente gleich welcher Art aus den geheimen internen Beratungen veröffentlicht oder unbefugten Personen zur Verfügung stellt, ist wegen Verletzung des Kommunikationsgeheimnisses mit einer Geldstrafe bis zu 3000 Ramwuv zu bestrafen. Desweiteren kann die Befähigung zum Richeramt berufen zu sein, auf Dauer oder vorübergehend entzogen werden.
II. Abschnitt: Rechtsmittel und sonstige Verfahren
§ 5 Berufungsverfahren
(1) Wer durch ein Urteil oder Beschluß jedes anderen Gerichts der Föderalen Republik Andro und seiner Provinzen beschwert ist, kann binnen zwei Wochen nach Verkündung vor dem Reichsgericht Berufung/Beschwerde eingelegt werden. Diese Rechtsmittel ist innerhalb der vorgenannten Frist zu begründen.
(2) Die Parteien können im Rechtsmittelverfahren keinen Vortrag über Umstände des Sachverhalts vorbringen, es sei denn, diese sind erst nach der Hauptverhandlung in I. Instanz eingetreten.
(3) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder daß die im erstinstanzlichem Urteil zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Das Gericht ändert dementsprechend das erstinstanzliche Urteil ab.
(4) Das gleiche gilt sinngemäß für Beschwerden.
§ 6 Verfassungsbeschwerden
(1) Verfassungsbeschwerde kann jedermann erheben, der nachvollziehbar behauptet, durch einen Akt öffentlicher Gewalt in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten selbst, unmittelbar und gegenwärtig verletzt zu sein.
(2) Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn gegen den Akt öffentlicher oder privater Gewalt kein Rechtsweg offensteht oder dieser erschöpft ist.
(3) Die Verfassungsbeschwerde muß binnen eines Monats nach dem gerügten Akt öffentlicher oder privater Gewalt erhoben werden.
§ 7 Organstreitverfahren
(1) Das Organstreitverfahren löst Konflikte bezüglich der sich aus der Verfassung ergebenden Kompetenzen und Rechte von Verfassungsorganen untereinander.
(2) Prozeßpartei kann jede Körperschaft, jedes Organ und jeder Organteil sein, der durch die Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet ist.
§ 8 Abstrakte Normenkontrolle
(1) Das abstrakte Normenkontrollverfahren prüft Gesetze des Parlamentes auf ihre allgemeine Vereinbarkeit mit der Verfassung.
(2) Antragsteller können sein:
a) mindestens zwei wahlberechtigte Bürger oder dieses als Kollegialorgan
b) die Regierung als Kollegialorgan
(3) Der Antrag muß binnen eines Monats nach dem parlamentarischen Beschluß des Gesetzes gestellt werden. Der Antrag kann erst nach Verkündung gestellt werden.
§ 9 Konkrete Normenkontrolle
(1) Das konkrete Normenkontrollverfahren prüft jeweils ein Gesetz, das in einem konkreten Gerichts-verfahren entscheidungs-erheblich ist und das amtierende Richter für verfassungswidrig hält, auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung im Hinblick auf ihre Anwendung.
(2) Antragsteller kann jedes öffentliche Gericht sein, das von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes überzeugt ist, auf dessen Gültigkeit es in einem Verfahren ankommt.
(3) Kein anderes Gericht kann ein förmliches Gesetz außerhalb dieses Verfahrens verwerfen.
§ 10 Wahlprüfung
(1) Gegenstand der Prüfung können die Wahl des Ministerpräsidenten und die Wahl des Parlaments sein.
(2) Antragsteller können sein:
a) jeder Kandidat
b) mindestens 2 Wahlberechtigte
(3) Der Antrag muß binnen einer Woche nach amtlicher Bekanntgabe des Wahlergebnisses gestellt werden.
(4) Das Reichsgericht muß die Wahl für ungültig erklären, wenn nicht unerhebliche Verfahrensfehler vorliegen und nicht sehr unwahrscheinlich ist, daß diese das Wahlergebnis beeinflußt haben. Jede andere Korrektur des Wahlergebnisses ist nicht möglich.
III. Abschnitt: das Gerichtsverfahren
§ 11 Ungültigkeit von Gesetzen
(1) Das Reichsgericht, und nur dieses, kann ein verfahrens-gegenständliches Gesetz als verfassungswidrig verwerfen.
(2) Die Verwerfung soll nur teilweise erfolgen, wenn anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber das übrige Gesetz auch ohne den verfassungswidrigen Teil erlassen hätte.
(3) Ist die verfassungsmäßige Ordnung durch die sofortige Unwirksamkeit des Gesetzes stärker gefährdet als durch seine vorläufige Weitergeltung, kann das Gericht eine angemessene Frist festsetzen, während der das Gesetz seine Gültigkeit behält.
(4) Entscheidungen über die Verwerfung von Gesetzen sind vom Präsidenten zu verkünden.
§ 12 Einstweilige Anordnungen/Verfügungen
(1) In allen Verfahren kann das Reichsgericht auf Antrag einstweilig etwas anordnen/-verfügen. Sollte das endgültige Urteil davon abweichen, gehen alle Aufwendungen und Schäden des Antragsgegners zu Lasten des Antragstellers.
(2) Bis zu einer anderweitige gesetzlichen Regelung gelten nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen als Gerichtsgebrauch die Regel des bundesdeutschen Rechts hinsichtlich des:
. a) Verfügungsgrund,
. b) Verfügungsanspruch,
. c) kein Vorgriff auf die End-Entscheidung und
. d) bei einstweiligen Abordnungen (eAO) Abwägung des öffentlichen mit dem privaten Interesse.
Amtlicher Kommentar
1. In Andro sind Eil-Entscheidungen aus dem Verfassungssatz der Rechtsstaatlichkeit legitimiert.
2. Zum rechtssystematischen Verständnis: dogmatisch gesehen sind diese Eil-Entscheidungen kein Rechtsprechungsakt, sondern dem Richter zugewiesene Akte exekutiver Gewalt. Diese Maßnahmen stellen eine Ausnahme von der Gewaltentrennung dar.
Diese Unterscheidung kann auch praktische Bedeutung haben. Und zwar wenn das Gesetz, nach dem im vorläufigen Verfahren zu entscheiden ist, formell zwar verkündet, aber materiell wegen eines Fehlers im Gesetz-Gebungsverfahren nicht rechtswirksam ist. Dann hat der Richter (wie ein Verwaltungsbeamter) das, was als Gesetz verkündet ist, seiner Entscheidung im Eil-Verfahren zu Grunde zu legen. Der Richter der Hauptsache hat jedoch die richterliche Prüfungspflicht.
3. Die einstweilige Anordnung ist ein sehr beliebtes Rechtsinstitut, und sie greift hart in die Rechtsposition des Beklagten ein. Deswegen ist ihre Voraussetzung näher zu klären. Statt einer umfangreichem Kommentierung der Voraussetzungen zu a) bis d) wird auf die betreffenden Seiten von Google verwiesen.
§ 13 Vorbringen vor Gericht
(1) Der Parteivortrag hat sich auf das zu konzentrieren, was entscheidungs-erheblich ist.
(2) In Zivilsachen und sonst, wo möglich, gilt Parteibetrieb, insbesondere gilt als zugestanden, was nicht ausdrücklich bestritten ist. Für Verfassung-, Verwaltungsrecht- und Strafsachen sind entscheidungs-erhebliche Tatsachen auch von Amts wegen ins Verfahren einzuführen.
(3) Die Parteien haben ihre Erklärung über tatsächliche Umstände (Tatsachen) vollständig und der Wahrheit entsprechend abzugeben. Verstöße sind zu ahnden.
Amtlicher Kommentar
Diese Vorschrift bezweckt vor allem die Straffung der Verfahren; denn es hat sich gezeigt, die bisherige Methode, die Parteien reden zu lassen, was sie wollen, verlängert den Prozeß.
Zu „entscheidungserheblich“: also abwegiger Vortrag darf vom Gericht nicht beachtet und keinesfalls zur Entscheidung herangezogen werden.
Zu Abs.3: „vollständig“ besagt insbesondere, daß nichts Entscheidungserhebliches weggelassen werden darf – auch wenn es zum Nachteil der eigenen Partei ist. Das von besonderer Bedeutung; da oft Parteien geneigt sind, nur vorteilhafte Sachverhalte vorzutragen – nachteilige aber verschweigen. Also haben die Parteien eine Prozeßförderungs-Pflicht und sollen sich nicht den Sachverhalt „wie Würmer aus der Nase ziehen“ lassen.
§ 14 richterliche Aufklärungspflicht
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, daß die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Ist streitig, ob eine streitentscheidende Tatsache simulations-intern oder –extern war, so hat darüber das Gericht durch Zwischenurteil zu befinden.
(5) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
Amtlicher Kommentar
Die richterliche Aufklärungspflicht ist das Gegengewicht zu den Pflichten, die den Parteien in § 15 (1) auferlegt sind. Sie soll insbesondere die Parteien erkennen lassen, was entscheidungserheblich ist. Darüber hinaus soll sie die Parteien entlasten, vorsorglich Dinge vorzutragen, über die Zweifel besteht, ob sie entscheidungs-erheblich sind.
Was entscheidungserheblich ist, sollte das Gericht möglichst frühzeitig den Parteien zu erkennen geben – am besten in Form eine „Entscheidungs-Schemas“
§ 15 Beweisantrag und Beweiserhebung
(1) Was im Forum geschrieben steht, gilt zunächst als erwiesen. Der Beweis den Gegenteils ist zulässig.
(2) Soweit das Forum durch gewaltsame Eingriff unbefugter Dritter textlich geändert oder gelöscht ist, entscheidet das Gericht durch gesonderten Beschluß, wie diese Parteivorträge rechtlich zu behandeln sind.
(3) Beweisanträge müssen so früh wie möglich gestellt werden.
(4) Sie sind nur zulässig, wenn der Antragsteller schlüssig darlegt:
.a) welche Tatsache er mit diesem Antrag bewiesen haben will,
.b) daß diese Tatsache für die Entscheidung erheblich ist.
Amtlicher Kommentar
Beweisfähig sind nur Tatsachen – keine Rechtsansichten; letztere sind allein vom Gericht durch Subsumtion zu entwickeln. Beweis darf nur beantragt und erhoben werden, wenn das Beweisthema überhaupt entscheidungserheblich ist. Die leider praktizierte Methode, „ins Blaue“ hinein Beweise zu beantragen, ist nicht zulässig. Zeugen dienen nicht der Ausforschung des Sachverhalts, sondern sie sollen nur einen konkret benannten Sachverhalt auf ihren Wahrheitsgehalt klären. Die Festlegung des Beweisthemas ist notwendig, weil nur das Gericht die Zeugenpflicht auszusagen mit seinem informationellen Grundrecht, die Aussage zu verweigern, rechtsstaatlich abwägen kann. Der Zeugenbeweis ist beschränkt auf Fälle, in denen kein Urkundenbeweis aus dem Forumstext möglich ist.
§ 16: Allgemeine Verfahrensfragen und Gesetzes-Lücken
(1) Bis auf weiteres ist das Reichsgericht ermächtigt, im Recht der Föderalen Republik Andro nicht geregelte, aber unbedingt verfahrensnotwendige Verfahrensfragen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit bzw. des Gerichtsgebrauchs zu schließen.
(2) Absatz 1 gilt nicht:
a) für den Täter nachteilige Straftatbestände;
b) für Begründung von subjektiven Rechten, insb. Ansprüchen,
c) wenn die Gesetze der Föderalen Republik Andro erkennen lassen, daß sie bewußt einen Gegenstand nicht geregelt haben.
(3) Analogien nach Absatz (1) müssen in gerichtlichen Entscheidungen als solche ausgewiesen und begründet werden.
Amtlicher Kommentar
Die Regelung Abs.1 a) gilt wohlgemerkt nur für Verfahrensfragen.
Zu Analogie: Zunächst könnte fraglich sein, ob überhaupt Analogien zulässig sind; denn zu den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit gehören Analogie-Schlüsse nicht – viele Kulturstaaten, erlauben sie nicht, oder nur eng begrenzt.
Aber vorliegende Kommentierung geht davon aus, daß Andro als Mikronation kein volles Gesetzessystem haben kann und deswegen grundsätzlich auf Analogien angewiesen ist. Aber dies – aus rechtsstaatlichen Gründen - nur in der Grenzen, die in (1) b) genannt sind. So ist streng zu unterscheiden:
· (beredtes) Schweigen des Gesetzes > kein Analogieschluß
· (planwidriger) Gesetzeslücke > Analogie möglich
(vgl. Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Kap. 6, Ziff.2, a) Ende 1.Abs)
Zu Absatz 3: Diese Offenlegungspflicht der Analogieanwendung soll bewirken, das an sich dem vielfach gewünschten „Richter-Recht“ viel Gestaltungsraum eröffnet ist, aber daß andererseits der Richter – unter Wahrung des Verfassungs-Gebotes der Rechtsstaatlichkeit – nicht nach „Gefühl und Wellenschlag“ entscheiden kann, indem der die Auslegung gut und schlüssig begründen muß.
§ 17 Verfahrensfragen, Urteils-Fristen
(1) Im Übrigen bestimmt das Gericht bzw. der verfahrensleitende Richter Fristen, Verfahrensablauf und Inhalt des Protokolls.
(2) Die Fristen sind so zu bestimmen, daß das Urteil in der Regel 25 Tagen nach Klageerhebung verkündet werden kann. Ist diese Frist nicht einzuhalten, muß vorher eine Fristverlängerung beschlossen werden. Dieser Beschluß setzt voraus: Einverständnis beider Parteien oder einvernehmlicher Beschluß von mindestens zwei Richtern.
(3) Das Gericht ist befugt, rechtwidrige Beiträge im Forum der Gerichte zu löschen.
Amtlicher Kommentar
Diese Regelung ist insgesamt neu – diskussionsbedürftig!
1. Die Bindung an eine bestimmte Verfahrensfrist und die Sanktion bei Nichteinanhalten der Nachfrist ist ein Kompromiß mit den politischen Kräften, die Absetzbarkeit der Richter wegen derer zu langer Verhandlungszeiten anstrebten - möglich, soweit sie nicht die persönliche Unabhängigkeit der Richter beschneidet.
2. Die Fristen nach Abs. 2 bestimmen sich ab Eingang bei Gericht. Deswegen wird es in Zukunft nicht mehr möglich sein, zwischen Eingang und Eröffnung die Klage/Antrag liegen zu lassen, um über die Zulässigkeit zu beraten und zu entscheiden. Abgesehen von dem (seltenen) Fall der Nicht-Annahme der Klage muß Klage/Antrag sofort eröffnet werden – und dies mit beurkundetem Eingangszeitpunkt.
3. Absatz 3 (Löschung) betrifft insbesondere Bemerkungen von nicht beteiligten „Möchte-Gern-Juristen“, zumal das Forum in gewisser Hinsicht als Protokoll des Verfahrens angesehen wird und der Vorsitzende üblicherweise den Inhalt des Protokolls bestimmt. Im Übrigen: Ist sie auf Beitragstexte abgestellt, die rechts-unerheblichen oder rechtswidrigen Inhalt haben.
§ 18 Urteile/Beschlusse
(1) Alle Urteile sind zu durch nachvollziehbare Subsumtion begründen. Alle Urteile sind öffentlich.
(2) Wenn ein Teil des Streitstoffes geklärt ist, soll ein Zwischenurteil ergehen.
(3) Wenn der Beklagte das Klägerbegehren anerkannt hat, ergeht, ohne zur Sache zu entscheiden, auf Antrag des Klägers ein Anerkenntnis-Urteil.
Amtlicher Kommentar:
1. Urteilsbegründung: Urteile sind lückenlos abzuleiten von einem Verfassungs- oder Gesetzes-
Satz. Nicht vom Rechts“Gefühl“ der Richter, nicht von der Rechtsvorstellung der herrschenden „Klasse“, nicht von Stimmungslagen, auch nicht von politisch-klassenkämpferischen „Parolen“ (z.B. „Richter müssen kontrolliert werden!“).
Diese Ableitung hat zu erfolgen, indem
a) der Gesetzes konkret genannt wird;
b) wenn das Tatbestandsmerkmal zu abstrakt ist, auf subsumtions-fähige Begriffe herabdefiniert,
c) diese subsumtions-fähigen Begriffe als Obersatz in den Syllogismus eingesetzt werden;
d) der tatsächliche Lebenssachverhalt (Tatbestand) als Untersatz definiert wird;
e) der eigentliche Subsumtionsvorgang: feststellen, ob der Tatbestand die Norm ausfüllt (sehr empfehlenswert: Egon Schneider, Logik für Juristen, Franz Vahlen)
Und das Schritt für Schritt in einer lückenlosen Kette von Subsumtionsvorgängen.
Das alles ist in der Urteilsbegründung nachvollziehbar(!) darzulegen. Besonders ist darauf zu achten, das keine Zwischenstufen ausgelassen werden – also daß beim nächsten Schritt etwas vorausgesetzt wird, was zuvor nicht bewiesen ist – Sprung im Schluß (saltus in concludendo
2. Öffentlichkeit: Nur Urteile: sind öffentlich. Also Beschlüsse nicht. Sonderegelung gilt für Beschlüsse, die Gesetze wegen Verfassungswidrigkeit aufheben. Diese sind nicht vom Gericht, sondern vom Ministerpräsidenten im Gesetz-Blatt zu verkünden.
In Familien- oder Kindschafts-Sachen muß der Richter bei intimen Angelegenheiten einen Weg finden, bei dem das informationelle Grundrecht des Einzelnen gewahrt bleibt.
„Öffentlich“ muß nicht nur die Verkündung, sondern auch die spätere Einsichtnahme sein.
3. Verhandlungsprotokolle
Der Vorsitzende bzw. Einzelrichter bestimmt, was in das Gerichtsprotokoll aufgenommen wird – in der Regel das, was entscheidungserheblich ist. Das übrige im Gerichtssaal Gesagte darf er löschen lassen. Darüber hinaus darf jede Partei dreimal im Laufe eines Verfahren Texte mit höchstens je drei Zeilen zu Protokoll geben.
4. Urteils-Zusätze
Urteile und Beschlüsse werden in der Form, wie der Einzelrichter oder bei Spruchkörpern, wie sie beide Richter einvernehmlich beschlossen hat/haben, abgesetzt. Als Zusätze sind nur kurze consenting oder dissenting votes zulässig.
§ 19: Schlußvorschriften
(1) Das Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Es ersetzt die bisher geltenden Regelungen der Allgemeinen Reichverfahrensprozessordnung und Reichsstrafprozeßordnung vom 6.8.2007, sowie das Gesetz zum Sonderinstanzverfahren vom 11.12.2007
(2) Bereits anhängige Verfahren sind nach den Vorschriften des bisherigen Gerichtsgesetzes zu beenden – es sei denn beide Parteien beantragen, das neue Gesetz anzuwenden.
Der Ministerpräsident hat das Wort.
Gospodina Dr. Duwstowa erhält Rederecht.