[Adila Aslanova]

Durch eine hohe Mauer und etliche Sicherheitsleute gut von der Öffentlichkeit abgeschirmt, residiert Adila Aslanova mitsamt Tochter am Rand des Villenviertels von Dulandsche. Ausgestattet ist ihr Anwesen mit nahezu allen Annehmlichkeiten, die der gesellschaftlichen Elite Notschistans eben so zur Verfügung stehen. Besonders wichtig allerdings sind der Hausherrin die umfangreiche Bibliothek und der weitläufige Garten.

[Adila Aslanova]

Spätabends sitzt die Hausherrin auf der Terrasse und beobachtet ihre Tochter beim Spielen. Nebenbei liest sie einige nachrichtendienstliche Berichte. Denen zufolge ist die Stimmung in der Bevölkerung entspannt, selbst die ewig aufmüpfigen Hayastani ergehen sich aktuell lieber in irgendwelchen Familienfehden, anstatt mal wieder eine (erfolglose) Revolte vom Zaun zu brechen. Allerdings mehren sich offenbar Gerüchte, der Präsident leide an Alterssenilität oder noch Schlimmerem. Gemäß der Meldungen ist daran vor allem die kürzlich erfolgte Novellierung der Verfassung schuld, die in einigen Punkten fundamental allen Grundsätzen des Sozialismus/Kommunismus widerspricht. Auch Aslanova kann sich diesem Gedanken nicht gänzlich entziehen.

[Elmira Aslanova]

Die schweigsame Grübelei der Innenministerin bleibt indes nicht unbemerkt. Töchterchen Elmira hat schon ein sehr ausgeprägtes Gespür dafür, wenn sie einmal nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht und fordert diese auch gleich konsequent ein, indem sie sich am Hosenbein ihrer Mutter hochzieht.

Was machst du da, Cici (Mami)? Musst du wieder Faschisten verhaften?

[Bəhram Kazımlı]

Der Justizminister lässt anfragen, wann die Innenministerin ihn zu empfangen bereit ist.

[Adila Aslanova]

Einen winzigen Moment lang erwägt 'Cici', die strenge Mutter zu geben und ihrer Tochter vorzuhalten, dass sie - wie doch schon mehrfach besprochen - bei der Arbeit bitte nicht gestört werden möchte. Der Gedanke existiert etwa eine halbe Sekunde lang. Dann hebt sie Elmira auf ihren Schoß. Es ist ihr einfach unmöglich, der Kleinen irgendetwas abzuschlagen.

Heute nicht, Canım (Schatz). Weißt du überhaupt was das ist, ein Faschist?

Sie streicht ihrer Tochters durchs Haar und gibt einer diskret hinzugetretenen Assistentin gleichzeitig zu verstehen, dass sie Kazımlı jederzeit empfangen werde.

[Bəhram Kazımlı]

Trifft etwa eine halbe Stunde später schon ein.

[Elmira Aslanova]

Wie immer, wenn sie angestrengt überlegt, zieht Elmira das Näschen kraus. In der Schule hat der Lehrer mal erklärt, was ein Faschist ist ... aber das war wenigstens schon vorgestern! Auf jeden Fall sind Faschisten böse. Mit dieser Gewissheit im Hinterkopf, zieht sie einen Schluss, der ihr völlig einleuchtend erscheint:

Der Diktator Demidow ist ein Faschist! ... Oder?

[Adila Aslanova]

Diese kreative Erwiderung bringt die Innenministerin unwillkürlich zum Lächeln. Sie küsst ihre Tochter auf die Stirn und setzt sie dann wieder ab, weil in diesem Moment der Besuch auf der Terrasse erscheint, begleitet von einem Bediensteten.

Der ist sogar der größte Faschist von allen, meine Schöne. Aber jetzt ist es auch Zeit zum Schlafengehen. Sag' Bəhram Muallim (Herr/Lehrer Bəhram) noch Salam und dann ab in's Bett mit dir.

[Elmira Aslanova]

Salam, Bəhram Muallim!

Die Tochter der Innenministerin macht artig einen kleinen Knicks und ist einige Augenblicke später auch schon verschwunden. Normalerweise würde sie versuchen, das Schlafengehen noch irgendwie hinauszuzögern, aber heute kann sie gar nicht schnell genug zurück ins Haus kommen: Fast immer wenn Erwachsene zu Besuch kommen, reden sie nämlich stundenlang über irgendwelche langweiligen Sachen ... und halten ihre Mutter davon ab, den großen Fernseher im Gästezimmer zu beaufsichtigen!

[Bəhram Kazımlı]

wartet geduldig auf der Terrasse - alles andere wäre unpassend