Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Die Stimme Korlands
#1
Korlands Auslandsrundfunk strahlt in seinem Programm auf Kurzwelle auch eine Übersetzung einer eigentlich für das Inland bestimmten Sendung aus. Dies entspricht nicht der Gewohnheit, da für gewöhnlich Inlands- und Auslandsprogramm streng von einander getrennt werden.


Meine sehr verehrten Damen und Herren,

wie Ihnen allen mehr oder weniger bekannt sein dürfte, ist vor einiger Zeit ein andrussischer Flieger nach Korland eingedrungen und hat schwere Zerstörungen an Gebäuden angerichtet und schlimmer noch dabei Menschen getötet, jener Vorfall gipfelte darin, daß dieser Pilot sich nicht etwa für seinen sogenannten Irrtum entschuldigte, sondern - wie wir von ihm selbst wissen - auf Geheiß seiner Generale und Dienstvorschriften, sich den Weg nach der Botschaft freizuschießen suchte und dabei weiter heimtückisch korische Landsleute ermordete. Selbst in auswegsloser Situation, unsere tapferen Soldaten und Polizisten hatten ihn längst so in die Enge getrieben, daß er nicht mehr eintkommen konnten, griff er zu einer äußerst heimtückischen und schäbigen Masche, die ihm wohl auch seine Vorgesetzten befohlen haben müssen, er befestigte eine Hangranate an der Tür des Verschlags, worin er sich zuletzt verschanzt hatte, die beim Öffnen zur Explosion kam. Durch dieses perfide Spiel wurden zwei unserer Soldaten getötet, die jetzt von Frauen und Kindern beweint werden. Ich habe selbt mit der kleinen Hanne und dem kleinen Otto geredet, die durch diesen Irrsinn eines andrussischen Piloten ohne Vater dastehen.

Warum haben wir den Mann nicht sofort vom Himmel geschossen, warum wurde er nicht gleich über den Haufen geschossen? Nun, das ist eben der Unterschied unseres christlich-sozialen Ständestaates zu dem Regime in Andrußland. Wir halten uns an Verträge und waren dadurch im betrüblichen Irrtum, daß man auch in Andrußland Verträge einhalten würde, aber da haben wir uns geirrt. Wir glaubten ja, es handle sich um ein Versehen und dachten, daß es nicht nötig sei, den Piloten eines - wie es schien - befreundeten Staates abzuschießen bzw. sofort zu töten. Vielleicht hat auch er Frau und Kinder mögen unsere Leute bei der Luftüberwachung gedacht haben, vielleicht ist da eine alte kranke Mutter, die dann bittere Tränen um ihren Sohn weint.

Aber weit gefehlt, wenn wir so etwas anständiges dachten, dieser Pilot hat sich wohl ganz bewußt unsere Hauptstadt und die Hütte im Stadtwald als Zielobjekt ausgesucht. Er glaubte wohl, Korlands Luftabwehr sei nicht in der Lage, einen andrussischen Flieger abzuschießen. Offenbar hatte sich nicht bis Andrußland herumgesprochen, wie leistungsfähig die neuzeitlichen Jäger vom Typ Turmfalke mit ihrer doppelten Überschallgeschwindigkeit sind. Aber wir konnten natürlich nicht sofort abschießen, der Fliger durfte nicht mit seinem Kerosintank in unser schönes Kaisersburg stürzen und weitere Opfer fordern, vielleicht gar Dom oder Stadtschloß ausbrennenen lassen. Also verwickelten unsere Jäger den Piloten unter Einsatz ihres Lebens in einen Luftkampf bei dem es allein darum ging, den feindlichen Flieger an einer so günstigen Stelle abzuschießen, an der er keinen Schaden würde anrichten können. Nun das gelang auch, der Flieger wurde in einem Teich versenkt, wo er keinen weiteren Schaden anrichten konnte. Wie das Leben so spielt, gelang es allerdings dem Piloten, der sich mit dem Fallschirm absetze und dem man offenbar vorher alle Kunststückchen der Tarnung beigebracht hatte, sich einer sofortigen Festnahme zu entziehen.

Es muß sich bei dem Flieger Popow ganz ohne jeden Zweifel um einen andrussischen Eliteflieger, einen der Besten, gehandelt haben, das zeigt schon sein verbrecherisches aber taktisch äußerst raffiniertes Vorgehen im Anschluß, im übrigen um eine Korland feindlich gesonnen Menschen. Daß ein solcher Pilot sich irrtümlich hunderte Kilometer über das Meer verfliegt und daß man davon in Andrußlands Kommando nichts gewußt haben will, kann man ja kaum glauben. Es scheint hier kaum um weniger als den Versuch zu gehen, Korland zu demütigen, uns aufzuzeigen, daß wir Andrußlands Vasallen sind, die sich alles gefallen zu lassen haben. Das fand dann im weiteren sofort seine Fortsetzung. Als wir diesen Herrn Piloten festgesetzt hatten, forderte Andrußland, als sei es Herr und Korland sein Vasall, den Piloten auszuliefern, gnädigerweise gestand man dann noch Schadensersatz zu.

Ein rechtlicher Exkurs soll an dieser Stelle verdeutlichen, wie absurd jene Forderungen waren, dazu zitiere ich aus dem gemeinsamen Vertrag:

Artikel IV Absatz 1 gebietet:

Die Vertragspartner vereinbaren, daß Begeher von Straftaten auf dem Gebiet der Vertragsstaaten unabhängig ihrer Nationalität grundsätzlich an dem Ort vor Gericht zu stellen sind, wo die Tat begangen wurde, wenn der Begeher dieser Tat noch im Lande der Tatbegeheung ergriffen werden kann – eine Auslieferung findet in diesen Fällen nicht statt.


Andrußland hatte kein Anrecht darauf, daß ihr uniformierter Mörder ausgeliefert würde, der sich seinen Weg ohne jede Reue freischoß und der so viele Väter und Ehemänner ja sogar Frauen und Kinder niedergemetzelt hat. Im Gegenteil, der Vertrag besagt, daß der Pilot hier in Korland vor Gericht zu stellen ist. Es wurde aber hier von unserer Seite noch entgegengekommen, indem man ein vorausgehendes oder nacheilendes Militärtribunal durchaus gestattet hätte. Auch wäre Andrußland an allen Untersuchungen beteiligt und darüber unterrichtet worden.


Nun gibt man sich in Andrußland aber offenbar mit solchen Fragen gar nicht erst ab, sondern wendet lieber das Recht des Stärkeren an. Leider waren wir hier doch ein wenig blauäugig, denn wer Andrußlands Geschichte kennt, der weiß, daß dort nur Despoten und Willkürherrscher größere Erfolge aufzuweisen haben, gemäßigte Staatsführer das Land aber regelmäßig in Siechtum und Anarchie verfallen ließen. Den Andrussen scheint also aus ihrer Nationalgeschichte heraus nur eine gewisse Brutalität zielführend. Was tat Andrußland also, nachdem ihm eine Behandlung seines Piloten nach Recht und Gesetz schon unbillig erschien? Denn natürlich darf einem andrussischen Massenmörder kein Haar gekrümmt werden. Es griff zu einer List, des "trojanischen Staatsbesuches".

Präsident Demidow heuchelte, er wolle Korland besuchen, in der Zwischenzeit hatten aber schon geschickt andrussische Agenten - die es laut Vertrag eigentlich auch nicht geben dürfte - ihr Werk aufgenommen. Sie kundschafteten aus, wie man jenen Verbrecher vor der Justiz schützen könnte. All das war minutiös geplant - Demidow dachte nicht für eine Sekunde daran, Korland wirklich zu besuchen.

Neben seiner Staatsmaschine und Andrußlands besten Abfangjägern brachte er gleich noch schwere raketenbewehrte Kriegsschiffe mit. Es lag nahe, daß man damit demonstrieren wollte, wozu man militärisch in der Lage sei. Nun, solches Gebährden kennt man ja von sogenannten Großmächten. Generalfeldmarschall Quitzleben entschloß sich also jenen Kindereien Raum zu lassen, von unserer Seite war ja schließlich kein Interesse daran, die diplomatischen Beziehungen zu vergiften - Korland ging es allein um Gerechtigkeit. Wir wußten, daß ein Mörder nur mit dem Tode bestraft werden kann, nicht etwa durch Tapferkeitsmedaillen, die andrussische Generale ihrem 'mal'chik' anstecken. Doch raffiniert wie der Andrusse ist, hatte man die Schiffe nicht allein deshalb geschickt, sondern, um den Verbrecher aus dem Untersuchungsgefängnis zu rauben. Dafür hatte man dann auch alle Kontakte zu Kommunisten und Verbrechern und anderem zwielichtigen Gesindel ausgenutzt, um in das Gefängnis hereinzukommen und den Gefangenen auf stinkenden Pfaden - man kroch durch die Kanalisation wie die Ratten - bis in den Hafen zu schaffen und dort auf ein Schiff zu bringen. Natürlich wurde das unseren Leuten schnell genug bewußt, doch da war der Pilot leider schon auf jenem Schiff und Demidow hatte plötzlich ob seiner Landung und Anwesenheit "Sicherheitsbedenken" - welch Zufall, daß er die vor dem Abflug noch nicht hatte.

Präsident von Quitzleben überlegte in jener gefährlichen Situation angestrengt, ob unsere dazu durchaus fähige Marine die Schiffe versenken soll - es wäre uns nämlich auf Grund der eigenen Schiffe und der Küstengeschütze sowie der schmalen Fahrrine des Haffs spielend möglich gewesen. Er entschied sich dagegen - denn was wäre hier gewonnen gewesen? Die Andrussen hätten in ihrem Supermachtsgehabe und aus Trotz der Besatzungen mutmaßlich unsere Hauptstadt mit ihren starken Raketen beschossen. Wir hätten für einen ihrer Lumpen vielleicht Tausende oder mehr verloren, vielleicht wäre das auch gar der willkommene Anlaß für einen großen Krieg gewesen. Das war ein Popow nun mal wirklich nicht wert und wer wußte, ob man da nicht schon weiter gedacht hatte.

Nun noch einmal einen rechtlichen Exkurs, zum gemeinsamen Vertrag:


Artikel I lautet:

Die Föderale Republik Andro und der Freistaat Korland erkennen sich wechselseitig in ihren gegenwärtigen Grenzen als souveräne Staaten an.

Nun, wenn diese Anerkennung der Souveränität darin besteht, daß man auf Korlands Staatsgebiet operiert und gegen rechtmäßige Behörden vorgeht, dann kann das ja ein schönes Verständnis von Souveränität sein. Dann sagt das im Grunde, was Verträge mit Andrußland überhaupt wert sind, nicht nur für uns, sondern auch für andere Nationen. Offenbar ist das Papier kostbarer als das Vereinbarte.

Und Artikel II gebietet schließlich:

So lange dieser Vertrag Beständnis hat, werden die Unterzeichnerstaaten jedwede militärische Handlung widereinander unterlassen.

Eine interessante Interpretation von andrussischer Seite, muß ich schon sagen.


Besondere Bedeutung erhält in jenem Zusammenhang, daß es Indizien gibt, daß es auch gute Verbindungen zwischen Koskau und den sogenannten Auftsändischen in Glashütte gibt. Die Frage, ob es vielleicht nicht nur Verbindungen zu den Aufrührern, sondern auch zu der Explosion gibt - um nicht das unschöne Wort Sabotage in den Mund zu nehmen - muß erlaubt sein. Ein großer Teil von Korlands Benzin wird aus der Kohle gewonnen und nicht etwa aus andrussischem Öl, wir heizen auch damit und erzeugen Stadtgas und Strom daraus. Das gibt uns eine gewisse Unabhängigkeit, kein großer Bruder kann einen Ölhahn zudrehen oder die Gaspipeline abschalten und damit unser Land von einem auf den anderen Tag lahmlegen. Ich glaube durchaus, daß es da Leute in Koskau geben mag, die lieber sähen, wenn Korland ein vollständiger Vasall wäre, dem man nach Belieben die Kraftquellen entziehen kann, indem man bei Öl und Gas etwas knapst. Schon spurt der ungezogene Bursche wieder. Ach ja, ein Gaswerk ist ja vor wenigen Jahren auch schon mal explodiert, die Attentäter konnten nie gefunden werden...

Auf Wiedersehen bzw. -hören, meine Damen und Herren und für unsere Freunde in Koskau:

Kurljandija ostayetsya nezavisimym!


*so*Edit: Berichtigung einiger Fehler und Ungrammatikalitäten - ohne inhaltliche Änderung.*so*
Zitieren
  


Nachrichten in diesem Thema
Die Stimme Korlands - von Dr. Henning Liedtke - 04.04.2015, 19:38

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen:
1 Gast/Gäste