Schon seit Jyllane zurückdenken konnte, war es ihr aus irgend einem unerfindlichen Grund ein Graus auf traditionellem Wege zu reisen. Nicht nur, dass nicht jeder gleich wissen musste von wo nach wo sie unterwegs war und dazu nur schnöde Passagierlisten wälzen musste, sondern vielmehr zeigte eine ungewöhnlichere Reisemethode doch schließlich am besten wie es hinter den Kulissen - also ungeschönt - aussah. Gut, dazu musste man wie dieses Mal beinahe unerträglichen Lärm über sich ergehen lassen, doch für was gab es schließlich die guten alten Ohrstöpsel und ein gutes Buch in das man sich vertiefen konnte. So viel ihre Wahl diesmal auf ein Frachtflugzeug aus Korland - die Widrigkeiten, eine Schiffspassage zu benutzen hatten sich dann doch als unüberwindbar** im andorianischen Teil herausgestellt.
Hart setzte die Frachtmaschine auf. Rumpelte. Wackelte. Und kam schließlich an dem ihr zugewiesenen Platz zum stehen. Freundlich wies man ihr mit Gesten den Weg zum entsprechenden Terminal - und Jyllane hoffte den Mann richtig verstanden zu haben, schließlich versuchte sie sich die Landessprache erst vor wenigen Tagen anzueignen.
Jurij Igorjewitsch Iwanow, seines Zeichens Oberzollinspektor in seinen Fünfzigern und zuständig für die Zollabfertigung am Koskower Frachtflughafen steht schon bereit als das Flugzeug aus Korland an sein Terminal rollt und kurze Zeit später der Pilot die Heckrampe öffnet. Zusammen mit drei Untergebenen betritt er den bauchigen Innenraum der Frachtmaschine und überwacht den Ausladevorgang, welcher von Flughafenmitarbeitern vorgenommen wird. Hier und da gleicht er die geladene Fracht stichprobenartig mit der Frachtliste ab, welcher er auf einem Klemmbrett mit sich führt.
Gerade als die Heckklappe des Frachtflugzeuges den Weg auf das riesige Rollfeld und die winterliche Landschaft um das Flughafengelände frei gab, standen auch schon drei Männer an der Rampe. Einer von ihnen hatte ein Klemmbrett in der Hand und stand etwas vor den anderen beiden Uniformierten. Er schien also wichtiger zu sein erkannte Jyllane nicht zuletzt auch an seiner Haltung. Es konnte ja nicht schaden, noch jemanden zu fragen, wo sie sich denn nun am besten melden müsste. So schnappte sich Jyllane ihren Mantel, warf ihren Mantel über und schnappte sich ihre Tasche und ging geradewegs auf den "Klemmbretthalter" zu. Mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, sprach sie diesen an:
"Dobryi wjetschir. Ich hoffe Sie haben die aktualisierte Liste noch rechtzeitig bekommen und finden meinen Namen auf dieser vor."
Es war immer besser direkt auf jemanden zu zugehen und ihn sozusagen zu überrumpeln - man behielt so schon mal gleich zu Anfang das Heft in der Hand und der andere musste reagieren. Jyllane war gespannt wie ihr gegenüber in dieser Situation reagieren wurde - finden würde er sie auf seiner Liste nämlich sicherlich nicht. Nicht ohne Grund hatte sie dem Piloten eine Stange Geld gezahlt um sie hierher zu bringen ohne irgendwelche Fragen zu stellen.
Inspektor Iwanow ist ziemlich überrascht, als er sieht wie sich auf einmal ein schwarzer Schatten aus dem gähnend dunklen Frachtraum auf ihn zubewegt und sich wenige Sekunden später in Form einer ziemlich hübschen, jungen Dame vor ihm materialisiert. Ganz perplex, als diese ihn anspricht, schaut er tatsächlich auf sein Klemmbrett, wo er natürlich keine menschliche Fracht verzeichnet findet, bevor ihm einige Sekunden später erst die Absurdität der ganzen Situation bewusst wird, denn sowas hatte er in seinen ganzen dreißig ziemlich langweiligen Berufsjahren noch nicht erlebt.
Kto wy? Schto wy delaete b eto Samolete? Wer sind Sie? Was machen Sie in diesem Flugzeug?
Mit einem Lächeln und einem verstehenden Kopfschütteln, brachte Jyllane zum Ausdruck, dass es ihr klar war, dass sie natürlich nicht auf der Liste stand. Aber gemäß ihrer Taktik machte ihr das natürlich nichts aus - wie auch - schließlich war es ja von Anfang an klar.
"Nein, oder?" Sie seufzte. "Machen Sie sich keine Gedanken - es ist ja nicht Ihr Versehen gewesen. Sie machen ja nur Ihre arbeit und ich stehe nun mal nicht auf Ihrer Liste." Ein gewinnbringendes Lächeln mit der Andeutung einer kleinen Verbeugung folgte. "Jyllane. Und ich dachte ich fliege mit diesem Flugzeug - deshalb war ihr in diesem."
Man konnte es Iwanow förmlich ansehen, wie es in seinem kleinen Hirn anfing zu arbeiten. Gut, das war ungewöhnlich, aber soweit er wusste war die Reise mit einem Frachtflugzeug durch kein androisches Gesetz verboten. Solange man ein Visum hatte konnte man eigentlich einreisen, wie man wollte und genau das war es womit er weitermachen würde, mit der Passkontrolle.
Der sture, kleine...doch sie hätte es sich auch denken können, dass ihr Gegenüber weder einen eigenständigen Willen noch die entsprechenden Befugnisse hatte, situationsangepasst selbst zu entscheiden. Der Moment wurde dadurch sozusagen kritischer. Ein weiteres viermotoriges Frachtflugzeug rollte quer zur Rampe vorbei zu seinem zugewiesenen Platz und Jyllane kam spontan eine Idee. Natürlich hatte sie die 'dokumety" und lächelte.
Keck zog sie ein Stück Papier aus der Innentasche ihres schwarzen Filzmantels streckte es dem Beamten lässig zwischen Daumen, Mittel- und Zeigefinger gehalten hin. Hier Mantel blähte sich kurzfristig dank der sich drehenden Propeller der anderen Maschine etwas auf und gab dem Beamten einen kurzen Blick auf ihr enganliegendes schwarzes und ärmelloses Kleid frei. Den Augenblick nutzend lockerte Jyllane kurzfristige die drei Finger, die noch eben das vermeintliche Dokument hielten. Zur Ablenkung presste sie schnell eine Hand auf den Mantel und schlang in wieder an den Körper. In diesem Moment erfasste eine Böe das Dokument und es segelte davon. Ihr Lächeln erstarb und unschuldig hilfesuchend Blicke sie in gekonnt gespielter Manier zu dem Beamten und zeigte mit dem Finger auf das fliegende Stück Papier.
Ein kleines Lächeln umspielt die Mundwinkel des Inspektors, als er einen Blick auf den wohlgerundeten Körper dieser schönen Fremden erhascht, bevor er mit gespielten Mitleid auf die davonfliegenden Papiere schaut und dann wieder zurück.
K soschaleniju. Wy hotite poidti. Leider müssen sie jetzt mitkommen.
Sie lächelte ihn milde an. Der Bursche tat genau das, was Jyllane gedacht hatte.
"Leider? Wenn Sie mir nun noch den Arm reichen, könnte ich mir derzeit nichts Angenehmeres vorstellen.", lächelte Jyllane den Beamten an und machte schon Anstalten ihren Arm bei ihm einzuhaken.